Wenn Skifahren zum Teamsport wird.
Janick Jenal
Neuschnee. Nur ein paar Zentimeter. Doch diese reichen, um die Landschaft frisch erstrahlen zu lassen. Im Hintergrund steigen Wolken empor und bringen den Himmel in Bewegung. Janick Jenal liebt solche Naturschauspiele. Vor allem, wenn er mit seinen Tourenskis unterwegs ist.
Nur noch das Knirschen des Schnees
Er und sein Begleiter befinden sich am östlichen Rand der Silvretta Ski-Arena Samnaun/Ischgl. Die Sesselbahn Grivalea bringt die beiden auf 2657 Meter Höhe. Dort ziehen sie die Steigfelle auf und laufen los. Nach wenigen Schritten werden sie von der Stille verschluckt. Nur noch das Knirschen des Schnees und tief verschneite Berge, einer schöner als der andere.
Mit ein, zwei Stunden laufen, findet man super Hänge und lange Abfahrten.
«Samnaun ist für seine vielen Bahnanlagen und Pistenkilometer bekannt. Aber das Tal bietet auch exzellente Tourenmöglichkeiten und Freeride-Abfahrten», sagt Janick. «Nur wissen das die Wenigsten, zudem ist die Bergwelt im Grenzgebiet zwischen Tirol, Engadin und Samnaun einfach grandios.»
Am liebsten macht Janick kurze Skitouren und Varianten direkt aus dem Skigebiet. «Mit ein bis zwei Stunden laufen, findet man super Hänge und lange Abfahrten im unberührten Tiefschnee.» Aber auch auf der gegenüberliegenden Talseite nimmt er gerne Gipfelziele in Angriff. Dort hat es keine Bahnanlagen, die Aufstiege sind lang und im Gipfelbereich auch steil, insbesondere am Muttler (3296 m), dem höchsten Berg der Region. «Ein wildes, aber wunderschönes Gebiet, hier ist man oft alleine unterwegs.»
Tiefschnee oder Piste? Beides ist gut!
Der gebürtige Samnauner liebt das Freiheitsgefühl des Skitourens, genauso wie er es mag, über Pisten zu schwingen und die Ski-Arena in ihrer ganzen Grösse und Vielfalt auszukosten. «Das Pistenangebot zwischen Samnaun und Ischgl ist schon einmalig und erst noch preiswert», so der Skilehrer.
Sonne und lange Abfahrten
Sein Tipp ist, nicht immer die gleichen Runden zu fahren, sondern auch mal etwas Neues auszuprobieren. Zum Beispiel schon am frühen Morgen auf die vermeintlich schattige Ischgler Seite zu wechseln. «Je nach Jahreszeit findest du dort auch schon am Vormittag Sonne und wenige Leute an den Liften, etwa am Palinkopf.» – «Oder wer lange Abfahrten liebt, dem ist die Piste durchs Veliltal zu empfehlen, 1250 Höhenmeter an einem Stück bis nach Ischgl. Danach brennen dir die Beine.»
Viel Pistenfahren ist wichtig für Janick, da er Mitglied des Demoteams Samnaun ist und an Formations-Wettkämpfen teilnimmt. Einen präzisen Schwung und ein gutes Rhythmusgefühl zu haben, ist essenziel.
Synchron, kompakt, dynamisch
Beim Formationsskifahren fährt man nämlich zu sechst oder zu acht den Hang hinunter und bildet Formen und Figuren, die sich laufend verändern. Die Abstände zwischen Mann und Mann oder Frau und Mann betragen teilweise nur einen halben Meter. Zudem werden immer wieder die Wege gekreuzt, auch mit hoher Geschwindigkeit.
Herausfordernder Teamsport
«Ein Fehler kann schon mal gefährlich werden, darum muss man stets konzentriert bleiben», so Janick. Er mag das Formationsskifahren, weil es ein richtiger Teamsport ist, wo es auf jede und jeden draufankommt. Ansonsten sei Skifahren ja mehr der Einzelsport.
Formationsskifahren ist ein echter Teamsport, das mag ich besonders.
Das Team ist ein bunter Haufen aus Samnaun-Fans: Skilehrer und Skilehrerinnen, die mehr oder weniger häufig für die 1. Schweizer Ski- und Snowboardschule Samnaun unterrichten. Janick ist der Einzige, der das ganze Jahr über in Samnaun lebt, wo er auch aufgewachsen ist. Das Demoteam Samnaun ist ein Mixed-Team aus Männern und Frauen. Janicks Position ist die Zwei. Er kann sich an der Eins orientieren, mit der er gleich oder je nach Figur gegengleich fahren muss, so synchron wie möglich.
Eine gute Technik und blindes Vertrauen
«Rein vom Verkehr her ist es einfacher vorne zu fahren», erklärt Janick. «Denn auf den hinteren Positionen ist man wegen des aufwirbelnden Schnees relativ blind unterwegs. Vorne geben wir den Rhythmus vor, darum müssen wir technisch sauber und flüssig Ski fahren. Hinten muss dagegen mehr auf das schöne und kompakte Bild geachtet werden.»
Ich mag die Abwechslung und den Kontakt mit Menschen.
Das alljährliche Highlight sind die Formations-Europameisterschaften, die immer im April in Samnaun stattfinden, gleichzeitig mit dem legendären Frühlings-Schneefest auf der Alp Trida. Es ist der feierliche Abschluss einer langen Skisaison, die in Samnaun von Ende November bis Anfang Mai dauert.
Der Spass steht im Vordergrund
Im 2023 fuhr das Demoteam Samnaun auf den tollen 2. Rang. «Das hat uns natürlich sehr gefreut, im Vordergrund steht aber der Spass und die Gemeinschaft unter Freunden.» Mit einer gesunden Portion Ehrgeiz gehen sie die Wettkämpfe dennoch an. Acht bis zehn Mal im Winter treffen sie sich, um gemeinsam zu trainieren. Meist üben sie in der Nacht am Musella-Lift in Samanun Dorf.
Bauzeichner, Boulderer, Vizedirigent
Er arbeitet hauptsächlich als Bauzeichner im Architekturbüro seines Vaters, im Winter erteilt er nebenbei Skiunterricht und seit Kurzem ist er auch noch fürs Bogn Engiadina Scuol tätig, als Mitarbeiter im Römisch-Irischen Bad.
Janick ist ein geselliger Mensch und allgemein vielseitig interessiert. So hat er sich in seinem Keller einen Boulderraum eingerichtet. Zudem ist er musikalisch versiert, er spielt Posaune in der Musikgesellschaft Samnaun und amtet als Vizedirigent.
Einzigartiges Skigebiet
Wir haben Hänge in allen Expositionen und Pisten in allen Schwierigkeitslagen.
Immer nur das eine zu machen, sei ihm zu langweilig. Darum schätzt er auch die Ski-Arena Samnaun/Ischgl so sehr. «Wir haben Hänge in allen Expositionen, Pisten in allen Schwierigkeitslagen, können im Wald und im alpinen Gelände fahren. Das macht das Skigebiet – neben den vielen Bahnen – so einzigartig.»
Was gibt es Schöneres?
Janick und sein Begleiter stehen auf einem Gipfel und sind bereit für die Abfahrt. Sie schlagen die Skistöcke aneinander, nicken sich zu und fahren los. Ja, der Schnee ist gut: pulvrig und unberührt. Was gibt es Schöneres?
Text: Franco Furger
Fotos: Claudio Daguati
Video: ON AIR Production